Unvollendet  - Christine Jaeggi

Grace. Sie steht seit ihrer Kindheit im Schatten ihrer Großmutter Hanna Miller. Die erfolgreiche Schauspielerin macht es ihrer Enkelin nicht leicht, denn es ist schwer sich an ihrem Erfolg zu messen. Durch die Verfilmung des Anti-Kriegsroman "Unvollendet" schaffte sie den großen Durchbruch und auch heute ist Hanna Miller und "Unvollendet" noch in aller Munde.

 

Nach dem Tod von Hanna erfährt Grace von einem befreundeten Produzenten, dass es einen zweiten Teil des berühmten Romans "Unvollendet" geben soll und verspricht Grace die Hauptrolle, wenn sie das Manuskript, das in der Schweiz sein soll, findet.

Grace begibt sich auf die Suche.

 

Bei jedem Schritt, den sie geht und ein wenig voran kommt, tauchen neue Fragen und neue Denkansätze auf. Sie wird immer wieder zurück geworfen und außerdem ist da noch Benjamin, dessen verstorbene Frau anscheinend auch etwas über die Geschichte des Romans raus gefunden hat. Auch Aaron scheint irgendwie etwas zu wissen, nur spielt er ein falsches Spiel?

 

Durch die Suche nach dem zweiten Manuskript deckt Grace ungeahnte Familiengeheimnisse auf, mit denen so niemand auch nur im Traum gerechnet hat.

 

Zu Beginn des Buches fand ich irgendwie nicht direkt die richtige Verbindung zur Protagonistin Grace, was sich aber relativ schnell relativiert hat.

Man kann ihre Gedankengänge im Buch super nachvollziehen und auch die geistige Veränderung während des gesamten Buches finde ich bewundernswert. Jeder Mensch ist einzigartig und man muss nicht zwangsläufig im Schatten eines Menschen stehen, nur weil jeder von einem erwartet in irgendwelche Fußstapfen zu treten. Wir entscheiden selbst für welche Werte wir stehen und in welche Richtung wir gehen wollen. 

 

Dass sich Grace zum Ende des Buches nicht mehr für die Rolle im zweiten Teil von Unvollendet interessiert, sondern einzig und allein für die Aufklärung rund um das Geheimnis und die Familientragödie ihrer Großmutter, finde ich liebenswert. 

Auch die Situation zwischen Ben und Grace ist nicht einfach, da Ben verständlicherweise an seiner toten Ehefrau hängt, die am Tag der kirchlichen Hochzeit verstarb. Doch nach und nach gesteht auch er sich ein wenig Glück zu und beginnt sich Mut zu machen. Denn wer kann schon sein ganzes Leben alleine bleiben? Er entscheidet sich für die Liebe.

 

Die Großeltern und Urgroßeltern aller schon genannten Beteiligten spielen im Buch auch eine große Rolle, denn der Roman stammt aus der NS Zeit. Unterdrückung der Juden, Fremdenfeindlichkeit und Nationalsozialismus spielen in dem Buch eine große Rolle, was ich persönlich super interessant finde, ein spannendes Buch aus der heutigen Zeit mit einem solch ernsten Thema zu verbinden.

 

Das Buch zu lesen und die Zeitsprünge zu verstehen fällt einem nicht schwer, jedoch zu Beginn hatte ich ein paar Probleme die Namen und Charaktere auseinander zu halten, wenn die Groß- und Urgroßeltern dreier Familien ins Spiel kommen. Aber auch das legt sich mit der Zeit. 

Am Anfang interessierte ich mich mehr für die Geschichte von Leopold und Edward, den zwei Soldaten aus dem Buch "Unvollendet". Die Kriegsgegner werden zu Freunden und Verbündeten und auch hier kann ich es kaum fassen, was der Krieg mit einem anstellt und dass es wirklich Menschen gibt, die andere Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Orientierung oder Religion verabscheuen und hassen. Meinen größten Respekt gilt den Menschen, die sich, wie Luise Thalman, nicht von Menschen beeinflussen lassen und auch trotz der tödlichen Gefahr einen revolutionären Widerstand leisten.

 

Erst ab der Hälfte des Buches interessierte ich mich für die eigentliche Geschichte. Trotzdem wurde ich nicht enttäuscht und die Geschichte von Leopold und Edward wird zu Ende erzählt.

Das Buch war unglaublich spannend, lehrreich und regt auch zum Nachdenken an. Denn wer möchte die Altlasten seiner Urgroßeltern in der heutigen Zeit noch ausbaden müssen?

 

Ich gebe hier eine Leseempfehlung für all diejenigen, die gerne spannende Bücher lesen, die aber auch ein ziemlich ernstes Thema beinhalten.