FANATISCH - Patricia Schröder

Was hat Nara getan?
Ein Zettel in ihrer Jackentasche lässt Sie aufschrecken.

„Stelle dich niemals gegen den göttlichen Willen! Es könnten furchtbare Dinge geschehen.“

Der Glaube daran, dass es ein dummer Streich ist, lässt Nara erst mal ruhig bleiben. Nur Jamie erzählt sie von dem unguten Gefühl, dass sie seither plagt. Aber war das richtig? Jamie, ihr bester Freund, empfindet mehr als nur Freundschaft für Nara. Er macht sich Sorgen und scheint sehr beunruhigt.

Als Nara eine SMS erhält mit dem Inhalt, dass alles ihre Schuld sei, weil sie sich nicht an die göttlichen regeln gehalten hat, wird ihr klar, dass es sich hier nicht um einen Teenagerwitz handelt. Außerdem ist der Familienhund, Mister Ibrahim, verschwunden.
Nara beginnt zu überlegen, was diese Aussagen zu bedeuten haben. Wieso spricht der anonyme Absender von göttlichem Willen und Regeln?
Nara ist, wie ihre Familie, Muslimin. Streng ist die Familie nicht, der Vater arbeitet ehrenamtlich in einer Begegnungsstätte und hilft dort den Menschen, sich zurecht zu finden und die Sprache zu lernen. Aber an was soll Nara dann Schuld sein?

Die Ereignisse überschlagen sich. Mister Ibrahim liegt tot auf der Terrasse und Nara begräbt ihn im Garten. Eine neue SMS, in der Nara befohlen wird zur Herforther Allee 126 in den Hinterhof zu kommen. Jamie lässt sich nicht davon abbringen Nara zu begleiten. Und dann … schwarz

6 Tage Gefangenschaft und Demütigung, 6 Tage Ungewissheit, 6 Mädchen, die auch gefangen sind, 6 Tage Schmerzen und 6 Tage Dunkelheit, Verzweiflung, Wut und Hoffnung. Warum?

Nara wird es erfahren. Und als sie schon gar nicht mehr damit rechnet, wird sie freigelassen.
Doch Nara darf die nächsten 6 Tage weder reden, keinen Besuch empfangen, noch Kontakt über das Internet zu jemandem aufnehmen, sonst wird ihrer Familie oder Jamie etwas zustoßen, der immer noch nicht wieder aufgetaucht ist, seit der Entführung in der Herforther Allee. Über ein Handy bekommt sie weitere Anweisungen, denn das Spiel ist längst nicht vorüber.

Das Buch war genau mein Geschmack. Mir hat Nara als Person super gut gefallen und auch die Beziehung zu ihrem jüngeren Bruder fand ich wunderschön. Er scheint instinktiv zu spüren, was mit Nara los ist, dass sie nicht reden darf, aber eigentlich gerne möchte.
Das stelle ich mir unglaublich schwer vor, wenn die Eltern vor dir stehen und du den Schmerz in ihren Augen sehen kannst und du musst schweigen. Dieses Gefühl möchte ich niemals erleben. Sie verstehen nicht, dass Nara schweigt, um ihre Familie zu schützen, dass es nur zu ihrem Besten ist.
Wenn du nicht mehr weißt, wem du vertrauen sollst, wenn du alle in deinem Umfeld verdächtigst, dir etwas angetan zu haben. Wenn du in ständiger Angst lebst. Für mich eine Horrorvorstellung. Wenn man sich über Tage hinweg fragt, was man angestellt hat, für was man bestraft wird, wie es der Familie ergeht und ob du überhaupt lebend aus dem dunklen Verließ kommst, beginnst du zu verzweifeln.
Es braucht aber nur einen kleinen Lichtblick, der dir wieder Kraft gibt. Einen starken Charakter, der dich aufbaut, der dir zuredet und du schöpfst neue Kraft. Tugce, eines der sechs gefangenen Mädchen, hat für mich erheblich dazu beigetragen, dass Nara nicht komplett durchdreht. Sie hat einen so starken Charakter und einen Willen, dass es für mich in der Situation eigentlich unbegreiflich ist, woher sie diese Kraft nimmt.
Mit der Wendung im Buch habe ich zu Beginn schon gerechnet. Obwohl gerechnet eigentlich nicht das richtige Wort ist. Zumindest habe ich darüber nachgedacht und war trotzdem über den Ausgang der Geschichte schockiert.
Wenn es nach mir persönlich ginge, hätte ich gerne noch etwas mehr über die Familie von Nara erfahren. Wie ist sie die sechs Tage mit der Situation umgegangen? Hatten sie genug Kraft, um auch Sinan, den kleinen Bruder zu trösten, obwohl sie selbst wahrscheinlich am Ende ihrer Kräfte waren? Aber das tut der tollen Geschichte keinen Abbruch.
Die Arbeit der „Behörde“, von der erst am Ende des Buches die Rede ist, würde mich wahnsinnig interessieren. Näher darauf einzugehen, würde zu viel verraten.
Für mich ein Buch, was sich flüssig lesen und keine Langeweile aufkommen lässt. Absolute Weiterempfehlung.