Rattenjagd - Charleen Pächter

Ein Buch, das überrascht.

 

Alle US-Bürger sind verpflichtet ihre Kinder unter 21 Jahren an Sammelstellen abzugeben.

Durch einen gefährlichen Virus, der durch das bloße Einatmen übertragen wird,  wurden die Jugendlichen zu extrem gefährlichen Straftätern und Terroristen. Erwachsene sind immun gegen den Anger Virus.

Viele Eltern und Erwachsene kommen der Aufforderung, ihre Kinder abzugeben und zu verraten, nach. Es entwickelt sich ein gegenseitiger Hass und eine tiefe Feindschaft – Beides scheint unüberwindbar. Während die Erwachsenen in Zeltlagern am Rande der Stadt untergebracht sind, hat die Mutter von Jamie und Neo andere Pläne.

Sie flüchtet mit ihren beiden Kindern und die kleine Familie sucht immer wieder Unterschlupf in den verschiedensten Gebäuden. Die drei Flüchtigen suchen die Basis Alpha, ein Ort, der den Ratten, so wie die Jugendlichen genannt werden, Schutz bietet. Bis sie aber dort ankommen leben sie in einer Welt aus Angst. Angst, entdeckt zu werden. Angst, auseinander gerissen zu werden. Angst, zu sterben.

Durch traurige Umstände kommt es dazu, dass die Familie getrennt wird.

Jamie ist nun schon eine Zeit lang auf sich alleine gestellt und ihr großes Zeil, Neo zu finden, verliert sie nicht aus den Augen.

Auch als Jamie auf Ace trifft, den das gleiche Schicksal ereilt hat und auf der Flucht ist, sucht Jamie weiter. Durch die gleichen Erfahrungen, kämpfen, töten, flüchten und auf sich alleine gestellt sein, fühlen sich die beiden Jugendlichen sofort verbunden.

Gemeinsam retten sie die Zwillinge Carrie und Collin vor Huntern, die immer noch auf der Suche nach Ratten sind, die flüchten.

Während Jamie sich immer wieder verteidigen muss, um zu überleben, stellt sie sich häufig die Frage, ob etwas Wahres an der Geschichte mit dem Virus ist. Denn wieso sonst soll sie es fertig bringen Menschen zu bekämpfen oder gar zu töten?

Die kleine Gruppe erreicht tatsächlich Basis Alpha, die nur über unterirdische Katakomben zu begehen ist.

Der Anführer von Basis Alpha ist Zane. Er erschafft ein gewisses Zugehörigkeitsgefühl bei den Kindern und Jugendlichen, die alles verloren haben. Nur sind seine Absichten wirklich sauber? Die jungen Menschen sind bereit für eine Aktion, die von Zane geplant wird, zu sterben. Sie schenken ihm bedingungslose und blinde Hingabe.

Cole ist die rechte Hand von Zane und nimmt sich den neuen Schützlingen an. Auch Cole beginnt daran zu zweifeln, ob Zane in der ganzen Debatte nur das Wohl der Jugendlichen im Kopf hat oder ob sein eigentliches Ziel ein anderes ist. Trotzdem machen Jamie, Ace und Cole bei einer Aktion mit, deren Zweck es ist, gefangene Jugendliche zu befreien.

Dort trifft Jamie auf ihren Bruder Neo, nur irgendwas scheint mit ihm nicht zu stimmen. Wieso erkennt Neo seine eigene Schwester nicht?

 

Jamie, Ace und Cole fassen den Entschluss Basis Alpha zu verlassen. Mit an Bord die Zwillinge und Sue, die gut mit Cole befreundet ist.

Unterschlupf finden sie in einem Diner bei Menschen, die nicht das glauben, was ihnen tagtäglich suggeriert wird, sondern an ihren eigenen Werten festhalten.

 

Das große Problem: Neo ist ein Hunter. Wieso, weshalb, warum? Das will Jamie rausfinden und sie wird keine Ruhe geben, bis sie rausgefunden hat, was in diesem Land vor sich geht.

 

 

Rattenjagd ist ein Buch, welches mich wirklich sehr überrascht hat. Zu Beginn dachte ich nicht, dass ich mich so mit den Protagonisten identifizieren kann. Aber dieses Buch ist nicht nur spannend, nein. Es hat auch viel fürs Herz.

Kinder, die ihre Mutter verlieren und getrennt werden. Ein Wille, der so stark ist, dass man zum Erreichen der Ziele über Leichen geht. Im wahrsten Sinne des Wortes.

In diesem Buch geht es um Familie, Vertraute und um den Glauben an das Gute.

Es muss schlimm für Jamie gewesen sein, sich alleine zu verteidigen. Sie tötet Menschen und das verfolgt sie tagtäglich. Ständig hat sie die Bilder im Kopf und diese wird sie nicht los.

Zum Glück erscheint relativ schnell Ace auf der Bildfläche, denn zu zweit lebt es sich in einer solchen Situation einfacher. Trotzdem kann sich Jamie nie richtig öffnen, was ich sehr schade finde, bei den Erlebnissen aber völlig nachvollziehbar ist.

Die beiden werden sehr schnell zu einer kleinen Familie, denn die Zwillinge, die sie retten sind kleine Kinder. Das heißt, die beiden Jugendlichen tragen nun nicht nur die Verantwortung für sich selbst. Vor allem stellen sie sich nicht einmal die Frage, ob sie die Verantwortung tragen möchten, es ist einfach selbstverständlich.

Als die kleine Gruppe in Basis Alpha ankommt war ich ziemlich geschockt vom Anführer Zane. Man bekommt sofort ein mulmiges Gefühl, wenn von ihm gesprochen wird. Aber clever ist er schon. Mit den Schicksalen der Jugendlichen und Kindern erschafft er ihnen eine „Perspektive“ und kann so seine Ideologie, die aktuell die einzige ist, durchsetzen. Bedingungslose und blinde Hingabe für seine Pläne, die auch Mord enthalten, sind so also kein Problem in Basis Alpha. Vielmehr sehen die Bewohner darin ihre Zukunft. Es wird zum Töten angestiftet und die Menge applaudiert und ist Feuer und Flamme? Für mich unverständlich.

Ist es gut, wenn ein Anführer vorgibt, was gut und was schlecht ist? Ist es gut, wenn ein Anführer so viel Einfluss auf Personen hat, die eigentlich noch gar nicht wissen, was sie glauben sollen? Ist es gut, wenn eine Personengruppe vor dem Tod flieht, gleichzeitig aber zum Krieg angestachelt wird? Ich glaube kaum!

Beim Lesen hat sich bei mir eine richtige Wut gegen Zane entwickelt. Deshalb hat die Gruppe richtig gehandelt, als sie Basis Alpha verlassen haben. Außerdem will Jamie immer noch Neo retten, von dem wir jetzt wissen, dass er ein Hunter ist und eigentlich gegen seine Schwester handelt.

 

Es ist so schön zu sehen, wie die Gruppe in dem kleinen Diner aufgenommen wird. Betrieben wird dieses von einem Vater und seiner Tochter. Sie setzen alles daran, dass es den Jugendlichen gut geht und unterstützen, wo sie nur können. In diesem Abschnitt sind sie quasi eine Art Elternersatz. Sie wissen, dass sie bestraft werden können, weil sie Ratten Unterschlupf gewähren, trotzdem halten sie an ihren eigenen Werten fest und lassen sich nicht beeinflussen. Schön, dass es auch solche Menschen noch gibt und dessen bin ich mir sicher.

 

Es gibt eine Stelle, die mich so extrem vom Hocker gehauen hat.

Ich hoffe, ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass Neo irgendwann auch im Diner ist.

(Keine Angst, das ist noch nicht das Ende, es geht im Buch noch viiiel weiter)

Neo erkennt Jamie immer noch nicht. Warum? Das wissen die Jugendlichen zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Trotzdem sieht Neo immer wieder Jamies Gesicht vor sich, das ihn zu leiten scheint. Im tiefsten Innersten weiß Neo, dass es eine Verbindung zu Jamie gibt.

 

Neo sitzt in seinem Zimmer, die Tür ist geschlossen. Jamie sitzt auf der anderen Seite und er spricht zu ihr.

Und genau das war der Moment, in dem ich anfangen musste zu weinen – und zwar richtig.

Ich denke jeder, der Geschwister hat, kann das verstehen. Getrennt zu sein, in Situationen, in denen man sich am meisten braucht, ist für mich unvorstellbar.

Sich gegenseitig Halt geben, sich auch mal zu streiten, aber trotzdem zusammenhalten.

In einer Welt, in der man nur wenigen Menschen vertrauen kann, den Bruder zu verlieren, wäre für mich das schlimmste, was passieren kann. Die Person, die gnadenlos ehrlich ist, der Anker in schweren Zeiten, aber auch derjenige, der dir sagt, dass du gerade mal wieder übertreibst. Jemand, der dich ins Bett bringt, wenn du es an deinem Geburtstag mit den alkoholischen Getränken übertrieben hast und sich dann aber nicht nehmen lässt, lustige Selfies mit dir zu machen. Ein Unterstützer in jeder Lebenslage. Ein Freund.

Man ist zusammen aufgewachsen, kennt sich in- und auswendig, kennt die Ähnlichkeiten und Unterschiede, man streitet und man lacht. Du erlebst zusammen schöne, aber auch traurige Momente.

Wenn dir dieses Gegenstück plötzlich fehlt, bist du unvollständig.

 

Dir fehlt ein Stück von dir selbst – dir fehlt ein Stück von deinem Herzen.

 

Das Buch bringt weitere Momente mit sich, bei denen mir die Tränen in die Augen geschossen sind. Es passieren viele Nebenhandlungen, die ich jetzt nicht aufgegriffen habe, da ich das Gefühl habe zu viel zu verraten.

Das Buch hat mich sehr überrascht. Dass ich so begeistert bin, hätte ich, wie schon gesagt, dem Buch nicht zugetraut. Aber was soll ich sagen? Es lohnt sich auf jeden Fall.

Mich hat das Buch dazu angeregt mal wieder zu überdenken, was wirklich wichtig im Leben ist. Denn eigentlich geht es uns doch gar nicht so schlecht.

 

 

„Ich habe dich zwar vergessen, aber du warst immer bei mir. In meinem Herzen warst du immer bei mir…“